Ein echter Kerl, der keiner ist

Schukrafts Wundertüte

Ein Mensch zwischen den Geschlechtern: spannendes Solo-Theater beim Kunstverein Ulm.

Südwest Presse, Mo.16. Okt. 2023:

„Ich will einen Sohn, keinen Waschlappen." Als der Vater ihm das ins Gesicht brüllt, bricht für den Sohn eine Welt zusammen. Gerade hat er sich schön gemacht mit Rock und Lippenstift, Mädchenkleider angezogen, weil er sich darin wohl fühlt. Und sich unbeschwert den Eltern präsentiert. Mit einem Schlag platzt der Traum vom Leben im Einklang mit sich selbst. Ein biologischer Junge, der sich als Mädchen fühlt: Wolfgang Schukraft hat aus diesem Ansatz das Solo-Theaterstück „Der Kerl ist ein Weib" gemacht, das nun von Sven Djurovic gespielt im Schuhhaussaal des Kunstvereins Ulm seine Uraufführung hatte. Es gibt ein historisches Vorbild: Der Chevalier d'Éon, der im 18. Jahrhundert von den französischen Königen als Spion nach Russland und nach England geschickt wurde, um sich als Frau getarnt an den Höfen umzuhören. Diese verbürgte Geschichte hat Schukraft in die heutige Zeit gespiegelt, die Ebenen wechseln hin und her. Der traumatisierte Chevalier des 21. Jahrhunderts wird zum Kampfer: kein Waschlappen, sondern Soldatenlaufbahn, Einsatz in Afghanistan. Immer hart nach außen, aber in Wahrheit kämpft er auch gegen sein inneres, weibliches Ich. Djurovic präsentiert den Kerl mit dem verletzlichen Wesen mit unaufgeregter Präzision, ohne hochkochende Emotion geht es tief hinein in die Felsspalten der Seele. Eine Therapiestunde im Theatersaal, von Schukraft kompakt ohne Längen und Überzeichnungen in Szene gesetzt. Der damalige Chevalier (beziehungsweise die Chevalière) hatte übrigens trotz der Wirrnisse seiner Zeit ein gutes Leben, erst im Leichenschauhaus wurde das biologische Geschlecht geoutet. Der heutige, inzwischen verheiratet, outet sich selbst gegenüber seiner Familie. Die Ablehnung wiederholt sich. Am nächsten Tag steht aber die Operation an. „Ich will mich nicht als Mann operieren lassen, um zur Frau zu werden. Sondern als Frau, um es mir zu ermöglichen, soweit wie möglich als Frau zu leben.” Viel Beifall im Saal.

Uli Landthaler

Studio Theater Stuttgart e.V.

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