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Spielereignisse | Paul Horn-Arena vom 03.Februar 2013 Zu den letzten Spielen

3:2 (25:22, 18:25, 25:23, 17:25, 17:15)

TV Rottenburg Herren

-

VfB Friedrichshafen


1. Volleyball-Bundesliga 2012/2013

zu den kommetierten Ereignissen

Spielbericht

Geschrieben am 05.02.2013, 02:27 Uhr

Das unglaubliche Ding / Fasnetsstimmung in Tübingen - der TV Rottenburg besiegt Rekordmeister VfB Friedrichshafen


[tagblatt.de] (von Tobias Zug) Der Vereinsfasnet tags zuvor mussten sie noch fern bleiben. Gestern ließen sie dagegen "die Kuh fliegen", wie es Manager Jörg Papenheim ausdrückte: Vor 2000 begeisterten Zuschauern haben die Volleyballer des TV Rottenburg erstmals in der Bundesliga-Geschichte den Rekordmeister VfB Friedrichshafen besiegt. Mit 3:2 (25:22, 18:25, 25:23, 17:25, 17:15).

Tübingen. Zu erklären und erläutern, warum es Gott und ein Leben nach dem Tod geben soll, ist die Aufgabe von Theologen. Rottenburgs Trainer Hans Peter Müller-Angstenberger ist Theologe, Religionslehrer. Und er glaubt seit gestern um 19.32 Uhr zu wissen, wie es in so einem Leben danach zugeht - zumindest für die Sterblichen, die dort reindürfen: "So muss es sich", sagte er, "im Himmel und im Paradies anfühlen."

Einen Glaubenskonflikt hatte dagegen sein Spielführer René Bahlburg in jenem Moment, als der Friedrichshafener Diagonalspieler Thomas Zass hochsprang und den Ball ins Aus schlug. Ins Aus! An der weißen Außenlinie vorbei. Zum 17:15 im entscheidenden Tie-Break für den TV Rottenburg. Bahlburgs Geständnis: "Das konnte ich erst gar nicht glauben." Der Rest des Teams begriff jedoch schnell, dass damit ein Stück Rottenburger Volleyball-Geschichte geschrieben worden ist: Aus den Lautsprechern dröhnt "Oh, wie ist das schön". Trainer Hans Peter Müller-Angstenberger rennt in Ekstase um das halbe Feld. Die Zuschauer stehen, johlen, wedeln mit ihren rot-weißen Schals oder rasseln mit ihren Plastik-Rätschen. Außenspieler Dirk Mehlberg reißt sich sein Trikot mit der Nummer 1 vom Leib, läuft zum im Rollstuhl sitzenden TVR-Manager Jörg Papenheim und setzt sich auf ihn wie ein nach Liebe gierender Partner.

"Das Ding haben heute alle gemacht", sagte Müller-Angstenberger, "nicht nur Mannschaft, wir Trainer - die ganze Halle hat dazu beigetragen." Und sprach beseelt von einer unsichtbaren Bande, die da jene drei Gruppen getragen habe. Tatsächlich zu sehen waren Rottenburger Spieler, die auf einem 18 mal neun Metern begrenzten Raum den Ball so gekonnt annahmen (ganz stark dabei: Libero Willy Belizer), abwehrten, in die gegnerische Hälfte lobten, schlugen, dass schon nach dem ersten Satz klar war, "dass das ein schweres Spiel für uns wird", wie Friedrichshafens Außenspieler Jose Rivera sagte. Der gute, weil variabel spielende TVR-Zuspieler Michael Neumeister setzte im ersten Satz oft René Bahlburg gut ein. Mit einem Aufschlag-Ass schaffte Markus Pielmeier den 25:22-Satzsieg für Rottenburg.

Da war's dann vorbei mit Demut und Pierre-de-Coubertin'scher "Dabei-sein-ist-alles"-Einstellung gegen den Rekordmeister. Da, sagte René Bahlburg, "haben wir gemerkt: Ho, da geht was!" Friedrichshafen schien dagegen gemerkt zu haben, da könnte diesmal etwas nicht zustande kommen: der traditionelle Sieg gegen den TVR. Mittelblocker Max Günthör, mit 2,08 Metern der größte Spieler auf dem Feld, kam viel besser ins Spiel. Friedrichshafen holte sich den zweiten Satz.

Zu Höchstform lief Max Günthör gleich zu Beginn des dritten Satzes auf, als er alle vier Punkte, davon einen per Block, zum 4:0 für den VfB machte. Erst nach der Auszeit punktete auch mal ein Rottenburger, Felix Isaak zum 1:4. Der TVR kämpfte sich jetzt zurück. 6:6, 10:10, 19:17. Bahlburg machte das 23:21. Die TVR-Fans standen auf. 23:22 durch João José. Markus Pielmeier, den Neumeister in diesem Satz öfter suchte, schlug zum 24:22 ein. Rivera punktete zum Anschluss. VfB-Trainer Stelian Moculescu brachte Thomas Zass zum Aufschlag. Den machte Zass auch - der Ball landete im Netz.

Im vierten Satz war der TVR bis zum 15:15 dran. Danach lief das Spielchen meist wie folgt ab: Juraj Zatko spielt auf Max Günthör, und der schlägt den Ball irgendwo auf eine freie Fläche in des Gegners Hälfte. Der Tie-Break musste entscheiden über Fortsetzung der alten, irdischen Geschichte oder ein neues Kapitel mit jenseitigen Gefühlsberichten. Nach Friedrichshafens 4:0-Führung hatte Müller-Angstenberger schon zwei Mal zur Auszeit gebeten.

Was folgte, war eine Rottenburger Aufholjagd, die dazu führte, dass Müller-Angstenberger fast nur noch auf der Langbank stand und das Publikum, die begeisterten Rottenburger Fans, dirigierte wie einst Herbert von Karajan seine Wiener Philharmoniker. 13:11 führte der TVR. Zass schaffte den Anschluss. Ein umstrittener Punkt bescherte dem VfB den Ausgleich. Rottenburgs Hans Cipowicz schlug den Ball knapp ins Aus - Matchball Friedrichshafen. Doch der sonst so starke Günthör schlug seinen Aufschlag ins Aus. Idner Lima Martins punktete für Friedrichshafen, wieder Matchball für den VfB. Doch Rottenburgs Dirk Mehlberg schaffte den Ausgleich. Und danach schlug Thomas Zass tatsächlich zwei Mal den Ball ins Aus. Kaum zu glauben.

Ein Ex-Friedrichshafener als Vorsänger

Die TVR-Spieler Federico Cipollone und Sven Metzger spielten im vergangenen Jahr noch für das Nachwuchsteam des VfB Friedrichshafen. Cipollone ist in Friedrichshafen aufgewachsen. Doch gestern schnappte er sich auf der Tribüne das Mikrofon, stimmte das "Humba tätärä" für seine am Boden sitzenden TVR-Mitspieler an. "Ich kann's gar nicht glauben", sagte er, "es waren gemischte Gefühle da für mich. Das ist einfach unbeschreiblich, was da abgelaufen ist." Und Trainer Hans Peter Müller-Angstenberger machte noch mal Werbung für Werbepartner: "Der TV Rottenburg ist in einer schwierigen finanziellen Situation. Aber diese Mannschaft ist authentisch, ist leidenschaftlich - das ist einfach unterstützenswert!"

Eine Sonderprämie fürs Herz

Reaktionen auf die Volleyball-Sensation von Verantwortlichen und Helfern
Auf diesen Abend haben viele Rottenburger jahrelang gewartet. Nun ist es geschehen: Der TVR schlägt den Rekordmeister VfB Friedrichshafen - und das auch noch während der Fasnet.

Tübingen.Eines hatten fast alle gemeinsam, die gestern Abend über den sensationellen ersten Sieg des TV Rottenburg gegen den VfB Friedrichshafen sprachen: Sie benutzten die Formulierung "sprachlos" oder "mir fehlen die Worte". Einer von ihnen war Axel Schunack. Jahrelang Fanclub-Vorsitzender der "Little Buddhas", mittlerweile E-Scorer am Anschreibetisch. "Da muss man ja einigermaßen neutral bleiben", sagte Schunack. Das gelang ihm freilich nicht ganz überzeugend.

Abteilungsleiter Peter Knobelspieß schleppte einen Kasten Bier durch die Halle. "Das haben sie sich verdient", sagte er. "Es ist gigantisch! Dass der kleine TV Rottenburg jemals gegen den großen VfB Friedrichshafen gewinnt, hätte ich mir nie vorstellen können!" Geschäftsführer Norbert Vollmer sagte: "Ich bin fast geplatzt." Eine Sonderprämie für die Spieler lobte er dennoch nicht aus: "Das gibt es dieses Jahr nicht. Aber der Sieg ist eine Sonderprämie fürs Herz." Vollmer hatte sich nach der Turnerfasnet des TVR am Samstagabend darauf eingestellt, nach dem Spiel zügig nach Hause ins Bett zu kommen. Doch der unerwartete Erfolg durchkreuzte seine Pläne: "Wir machen heute Turnerfasnet Teil zwei", kündigte Vollmer an.

Karsten Haug, einst Zuspieler, zuletzt jahrelang Co-Trainer beim TVR, saß mit seinem alten Aufstiegs-Trikot mit der Nummer 8 auf der Tribüne. "Das ist der Wahnsinn! Unfassbar! Der absolute Knaller!", jubilierte er. "Es war ja schon ein Erfolg, zwei Sätze gegen Friedrichshafen zu gewinnen. Das gab's ja auch noch nie." Der Kommentar von Rottenburgs Mannschafts-Arzt Maik Schwitalle war knapp: "Perfekt! Super Mannschafts-Leistung!"

Rottenburgs Libero Willy Belizer berichtete von Sponsoren terminen, auf denen er als Ziel stets formulierte, einmal die großen Drei im deutschen Volleyball - Berlin, Haching und Friedrichshafen - zu schlagen. Nach dem Sieg 2010 in Berlin und vergangene Woche in Haching folgte jetzt der Triumph über Friedrichshafen: "Ich hab' jetzt alles erreicht", sagte Belizer und grinste. Aufhören will er dennoch nicht. "Die Ansprüche steigen ja."

Jo Geiger spielt seit gut 40 Jahren Volleyball beim TVR, mittlerweile in der Senioren-Mannschaft. "Ich hätte nie gedacht, dass Rottenburg mal gegen Friedrichshafen gewinnt", sagte er. Seit Jahren hilft er als Ordner während des Spiels und beim Abbau. Am Sonntagfrüh hatte er zudem noch bis drei Uhr Bardienst bei der Turner-Fasnet geschoben.

Friedrichshafens Star-Trainer Stelian Muculescu: Wortkarg und sauer auf die Schiedsrichter

Gar nicht nach Feiern zumute war gestern Friedrichshafens Star-Trainer Stelian Moculescu. Der einstige deutsche Nationalcoach schimpfte nach dem Matchball mit Schiedsrichter Volker Schiemenz und dessen Assistenten. Während des Spiels quittierte Moculescu einige Entscheidungen der Unparteiischen schon mit höhnischem Applaus und abfälligen Gesten. Mehr als eine Ermahnung zog das allerdings nicht nach sich. Nach dem Spiel gab sich Moculescu wortkarg. Was für ihn die Gründe für die Niederlage waren, wollte er nicht erzählen: "Fragen Sie diejenigen, die gespielt haben!" Als ein Journalist mit den Worten, "Sie sind doch der Fachmann" nachhakte, sagte Moculescu nur: "Ja, weiß ich." Ein Reporter versuchte Moculescus Meinung zur Schiedsrichter-Leistung herauszufinden und sagte: "Es gab strittige Schiedsrichter-Entscheidungen hüben wie drüben." Moculescus Antwort: "Es gab strittige Schiedsrichter-Entscheidungen hüben!" Letztlich beglückwünschte er allerdings auch artig die Sieger: "Gratulation an Rottenburg." Ein paar Tage vor dem Spiel hatte Moculescu noch auf die Frage geantwortet, wie er die Entwicklung des TV Rottenburg sehe: "Ich guck' da nicht immer so viel auf andere Mannschaften. Ich bin selbst genügend beschäftigt." Gestern verlor Friedrichshafen nun erstmals das Derby.

Traumdebüt trotz Bank

Was für ein Debüt für Außenangreifer Phillip Trenkler: "Vielleicht bin ich ein kleines Glücksbärchen", frohlockte Rottenburgs Neuzugang. Am Mittwoch machten die Rottenburger Verantwortlichen alles klar mit dem 19-Jährigen - der Transfer für den Rest der Saison vom Junioren-Nationalteam VCO Berlin zu seinem Heimatverein war perfekt. Rottenburgs Trainer Hans Peter Müller-Angstenberger sprach nach dem Gastspiel des VCO Berlin vor eineinhalb Wochen mit Trenkler - und dann ging alles recht fix. Zwar kam Trenkler gestern mit seiner Trikotnummer 2 nicht zum Einsatz, dennoch fieberte er auch am Spielfeldrand mit: "Es war ein unbeschreibliches Gefühl - auch von außen. Richtig geil!" Zur Qualifikation für die Weltmeisterschaft im Mai in Bulgarien will Trenkler übrigens wieder in die U21-Nationalmannschaft zurückkehren.

Trikot für die Tochter

Anfang Januar bekam Friedrichshafens Max Günthör Nachwuchs: Anna Charlotte heißt seine Tochter, für die Günthör von den Rottenburgern gestern nach dem Spiel ein TVR-Trikot überreicht bekam. Äußern wollte sich der deutsche Nationalspieler nach der Pleite allerdings nicht. Er war jedenfalls nicht dafür verantwortlich, dass Friedrichshafen verlor: Mit 19 Punkten war der 2,08 Meter große Mittelblocker bester Punktesammler der Partie - und das mit einer starken Quote von 68 Prozent erfolgreichen Angriffen. Allerdings schlug Günthör auch sechs Aufschläge entweder ins Netz oder ins Aus.

Staunende Stars


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